Jugendstil

Jugendstil sammeln

Leicht und schwungvoll präsentiert sich der Jugendstil. Er war die revolutionäre Antwort auf die wuchtigen Einrichtungsgegenstände der Neurenaissance. Ich persönlich bin ein großer Anhänger dieser Stilrichtung, verkörpert er doch die Leichtigkeit des Seins ohne ins Kitschige abzudriften. In ihm ist ein ungetrübter Optimismus zu spüren, der zum Träumen einlädt. Trotzdem ist eine Naturverbundenheit zu finden, welcher die Schönheit der Welt offenbart. Sie ist deutlich erkennbar, ohne arrogant oder prunkhaft zu wirken. Es ist lohnenswert, sich dieser Epoche ein wenig Zeit zu widmen. Vielleicht kann ich auch Ihr Interesse daran wecken. Oder sind Sie bereits einer der begeisterten Sammler von Objekten jener Zeit?Jugendstil Hauseingang in Kassel

Schwungvoll wie ein Schwan – die Entstehung des Jugendstils

Der Jugendstil liegt geschichtlich betrachtet zwischen dem Historismus und der modernen Kunst. Er begann im ausgehenden 19. Jahrhundert, dauert circa 20 Jahre und war die Antwort auf die unterschiedlichen vorausgehenden Zeitströmungen. Damals war eine Zeit, in der im viktorianischen England das wirtschaftliche Wachstum der industriellen Revolution mit überladenden Einrichtungsgegenständen ausgedrückt worden ist. In Frankreich zeigten sich ähnliche Entwicklungen. Die sogenannte Belle Epoque ließ die Bedürfnisse und Wünsche des gehobenen Bürgertums in eine abstruse Extravaganz abgleiten. Auch in Österreich und Süddeutschland dominierte der Historismus in Form der Neurenaissance. Hans Makarts galt als einer der wichtigsten Vertreter dieser Epoche. Viele Wohnzimmer in Deutschland waren durch üppige und wuchtige Möbelstücke geprägt. Trotz der großen Beliebtheit der Neurenaissance gab es immer wieder Stimmen von Kritikern, welche sich im ausgehenden 19. Jahrhundert verstärkten. Der deutsche Jugendstil ging von lokalen Künstleravantgarden aus, die durch die zahlreichen neu gegründeten Kunstzeitschriften sich überregional austauschen konnten. Sie wollten eine neue Bewegung. Die Suche nach etwas Leichtem und Simplen war dar. Langsam begann sich eine Art nouveau zu entwickeln, die schließlich Jugendstil genannt worden ist. Namensgeber war die künstlerische Zeitschrift „Die Jugend“, welche erstmals im Frühjahr 1896 in München herausgegeben worden ist. Einer der bekanntesten Mitarbeiter dieser Zeitschrift war der Gestalter und Maler Otto Eckmann. Wie seine Vorgänger aus England beschäftigte er sich intensiv mit der Kunst aus Japan. Er war fasziniert von deren Naturverbundenheit und klaren Darstellungen. Und so war Eckmann insbesondere von den flächigen Darstellungen von Naturmotiven bewegt. Sein Lieblingstier war der Schwan, welcher sich schließlich als ein Leitmotiv des Jugendstils entwickeln sollte.

Klassische Motive im Jugendstil und deren Darstellungsweise

Die Inspirationen holten sich die Künstler meist aus der Natur. Zu den klassischen Motiven des Jugendstils gehörten daher langstielige Pflanzen wie Orchideen und Lilien. Auch Wasserpflanzen und gewöhnliche Wiesenpflanzen wurden gern verwendet. Tiere mit geschmeidigen Formen wie Schlangen, Salamander, Schwäne, Eidechsen und Flamingos gehörten ebenfalls zu den häufig dargestellten Motiven. Ihre Konturen und Silhouette werden betont. Ihre Darstellung ist flach, was sich in der Sichtweise der damaligen japanischen Kunst begründet. In Frankreich viel der Jugendstil etwas schwellender und plastischer aus, da die Tradition des Rokoko ihn beeinflusste.

Die dekorativen Werke des Jugendstils thematisierten ferner gern schlanke Frauenkörper mit langem Haar, welches einen wellenförmigen Schwung aufwies. Ein herrliches Beispiel für diese linearen Ornamente ist der Holzschnitt „Der Kuss“ von Peter Behrens, welcher im Jahr 1898 in einer Kunstzeitschrift veröffentlicht worden ist. Vom Weiblichen geht zudem häufig eine gewisse erotische Stimmung aus, welche ebenfalls in vielen Werken des Jugendstils zu spüren ist. So wurden die Frauen gelegentlich in sinnlichen Posen dargestellt oder ohne Kleidung. Die Frauenkörper wirkten anschmiegsam aber nicht pornografisch.

Die Naturverbundenheit im Jugendstil zeigt sich auch darin, dass einige Künstler neue Erkenntnisse der Naturwissenschaften berücksichtigten. So wurde mithilfe neuer Mikroskope die eindrucksvolle Welt der Mikroorganismen, Amöben und Algenzellen sichtbar. Die gesehenen Bilder inspirierten einige Künstler zu weichen Formen, welche zuweilen ineinanderflossen. Prägende Künstler für diese Richtung innerhalb des Jugendstils waren Christopher Dresser und Hermann Obrist. Diese Faszination für die Natur zeigte sich auch in dekorativen Geräten wie Vasen und Lampenfüße, welche dank der pflanzlichen Formen einen organischen Charakter erhielten.

Im Unterschied zu früheren Stilrichtungen verzichteten die Künstler des Jugendstils auf illusionistische Effekte, durch die ein Objekt plastischer wirken könnte. Die Darstellungen erfolgen flächig und linear. Dadurch erzeugten die Abbildungen eine stilisierte und rhythmisierte Wirkung. So wurden gern Flammen oder Wellen dargestellt, deren Bewegungen in einer flächenhaften Darstellung gebannt worden sind. Plastische Werke weisen häufig ein lineares Grundprinzip auf, das nur durch die dritte Dimension erweitert erscheint.

Sanfte Farbtöne dominieren

Im Jugendstil dominierten zarte Pastelltöne, dessen hoher Weißanteil ein bewusster und deutlicher Kontrast zu den dunklen, schweren Tönen der Gründerzeit gewesen ist. Besonders deutlich wird dies an den fantasievollen Glasschöpfungen deutlich. Ihre Oberflächen schimmern in vielen Farben. Ein sehr gutes Beispiel dafür sind die perlmuttfarbenen Schirme für Tischlampen aus der Glashütte von Johann Lötz Witwe in Klostermühle.

Auch Materialien wie Schildpatt, Perlmutter und Halbedelsteine sind wegen ihrer schillernden Wirkungen gern eingesetzt worden. Aufgrund der Liebe zu organischen, fließenden Formen wurden daneben weiche Materialien wie Zinn oder Gusseisen verwendet. Sie erlebten um die Jahrhundertwende eine neue Blütezeit.



Wichtige Zentren des Jugendstils – London, Paris, Nancy und Brüssel

Der Jugendstil entwickelte sich relativ unabhängig voneinander in europäischen Städten im ausgehenden 19. Jahrhundert. Seine Blütezeit dauerte von 1895 bis 1905. Die englische Stadt London war aufgrund der Arts & Craft Bewegung sowie einer Neigung zum Ästhetizismus geradezu prädestiniert für die Aufnahme des Jugendstils. Einer der bekanntesten Vertreter dieser Stilrichtung in England war Aubrey Vincent Beardsley. In Paris hat der im Jahr 1895 eröffnete Kunstsalon L’Art nouveau dem Jugendstil zum Durchbruch verholfen und ihm seinen französischen Namen gegeben. Nur fünf Jahre später ist eines der bekanntesten Werke des Pariser Jugendstils erschaffen worden. Dabei handelt es sich um die Geländer, die Tore und Bögen der Metro-Eingänge von Hector Guimard. Dieses formschöne Meisterwerk kann noch immer in Paris bestaunt werden. Berühmt sind ferner die prachtvollen Plakate von Cabarets und Revuen, welche zur Verkündigung dieser Veranstaltungen dienten. Sie wurden von Künstlern wie Alphonse Mucha und Pierre Bonnard geschaffen. Selbst Kunstdrucke dieser Werke werden noch immer gern gekauft. Ein zweites Zentrum in Frankreich fand der Jugendstil in Nancy. In diesem Zusammenhang brillierten insbesondere die Glasschöpfungen von den Brüdern Daum und von Emile Gallé. Zudem waren die eleganten Möbelstücke von Louis Majorelle prägend. Die französischen Künstler zeigten bei ihrem Wirken häufig eine Vorliebe für florale Motive und waren von einer reichen Ornamentik begeistert.

Auch in Brüssel setzte sich der Jugendstil durch. Henry van de Velde kristallisierte sich mit seinen Entwürfen für eine Inneneinrichtung als bedeutendsten Jugendstilkünstler heraus. Er setzte bei seinen Entwürfen auf eine abstrakte dynamische Linie. Die Ornamentik präsentiert sich eher zurückhaltend und stets in Harmonie mit der eigentlichen Konstruktion des Objektes. Der zweite berühmte Jugendstilkünstler aus Belgien war der Architekt Victor Horta. Zu seinen Werken gehören beispielsweise die Brüssler Häuser Maison Tassel und Maison Horta. Sie sind eine stilvolle Einheit aus Architektur und Innenarchitektur.

Andere wichtige Zentren des Jugendstils – München, Darmstadt und Wien sowie Barcelona, New York und Chicago

München und Darmstadt waren für den Jugendstil innerhalb der deutschen Grenzen bedeutsam. In München ist im Jahr 1896 die Kunstzeitschrift Jugend gegründet worden, welche zur Verbreitung des neuen Stils entscheidend beigetragen hat. Die Künstler Bernhard Pankok, August Endell, Richard Riemerschmid und Hermann Obrist waren für den Münchner Jugendstil prägend. Einige Werke von ihnen können noch immer bestaunt werden. Dazu gehört Riemerschmids Gestaltung für das Schauspielhaus in der Maximilianstraße. Die Bedeutung Darmstadts für den deutschen Jugendstil ist dem jungen Großherzog Ludwig von Hessen zu verdanken. Er gründete eine Künstlergemeinschaft, die aus Berühmtheiten wie Joseph Maria Olbrich aus Wien und dem Münchner Peter Behrens bestand. Aus der Feder von Olbrich stammt die Villengegend Mathildenhöhe in Darmstadt, welche überregional bekannt ist.

Auch in Wien entstand ein wichtiges Zentrum für den Jugendstil. Dort waren zwei Spielarten zu beobachten, welche zeitlich aufeinanderfolgten. Im Jahr 1896 gründeten Josef Hoffmann, Joseph Maria Olbrich, Gustav Klimt, Kolomann Moser sowie andere Künstler die Gemeinschaft „Sezession“. Der Sezessionsstil war durch sinnliche, dekorative Elemente gekennzeichnet. Auf ihn folgte im Jahr 1903 mit der Gründung der sogenannten Wiener Werkstätte eine Spätphase des Jugendstils. Sie wies eine Veränderung zum bisherigen Jugendstil auf, da nun die geschwungenen Linien durch gerade Linien ersetzt worden sind. Ferner gab es eine Wende vom organischen zum geometrischen Dekor. Wie auch bei den anderen Künstlergemeinschaften widmete sich die Wiener Werkstätte ebenfalls allen Bereichen der Innendekoration.

Eine ganz eigene Spielart des Jugendstils zeigte der Architekt und Künstler Antoni Gaudí. Es war die katalanische Art dieser Stilrichtung Leben einzuhauchen. Ein Spaziergang durch Barcelona offenbart seine bekanntesten und eindrucksvollsten Werke. Von Europa schwappte der leichtfüßige Jugendstil in die US-amerikanischen Städte Chicago und New York. Dort erreichte der Maler und Glaskünstler Louis Comfort Tiffany einen großen Bekanntheitsgrad. Noch heute sind insbesondere die Tiffanylampen sehr bekannt. Inzwischen werden sie sogar von anderen Herstellern in ihrem originellen und erfolgreichen Design imitiert.

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